Schüler für Tiere Langenfeld – Bericht der Gruppenleiterin

ÜBER ‘NUTZ’TIERHALTUNG UND SCHLACHTHAUSSITUATION
IM LÄNDLICHEN RAUM VON BAYERN/BADEN-WÜRTTEMBERG

Durch meinen vorübergehenden Rückzug von NRW ins baden-württembergische Hinterland, nahe der Grenze zu Bayern, konnte ich mir im Laufe der letzten Monate ein Bild von der hiesigen ‘Nutz’tierhaltung und der Schlachhaussituation machen:
Kühe leben – wie noch vor elf Jahren – mitten in den Dörfern in ganzjähriger Anbindehaltung im Stall. Lediglich kleine Gruppen von Jungbullen (4-6 Tiere) haben z.T. Offenstallhaltung mit Zugang zur Wiese. Die Bio-Kuhaltung bei Demeter sieht in der benachbarten Kleinstadt so aus, dass die Mutterkühe einen geringen Auslauf ins Freie haben, mit einem Rondell, das sie nutzen können. Die Kühe tragen Nasenringe zur Kälberentwöhnung. Ihre Kälber befinden sich auf der anderen
Straßenseite auf einer größeren Wiese; es sind aber auch Holzbauten für max. ein Kalb zu sehen, die mit einer schweren Holztüre verriegelt sind.

Schweine sind meist außerhalb der Dörfer in großen Gebäuden mitten in grüner Landschaft untergebracht. Die Gebäude hatten auf mich zunächst den Anschein, als seien sie still gelegt;
manche haben Fenster aus Milchglas, andere sind fensterlos. Lediglich die Schlachttransporter, die vor den Gebäuden parken, verweisen darauf, dass es dort Tiere gibt. Ein kleines fensterloses Gebäude trägt die Aufschrift ‘UEG FERKEL’; neben dem Gebäude ist ein kleiner Misthaufen, der
auf die Existenz der Tiere verweist.

Auffallend ist, wie viele Schlachttransporter auf den ländlichen Straßen unterwegs sind. Ich sehe sie fast täglich, obwohl ich meist nur Kurzstrecken zurücklege. Selten begegnet man kleinen Transportern, durch die noch ein Schweinenäschen oder ein Ringelschwanz zu sehen ist. Meistens sind es große Transporter, die die Tiere zum Schlachthaus bringen. Die brandneuen Fahrzeuge tragen die Aufschrift ‘Quietschfidele Ferkel on Tour’, daneben Abbildungen zweier lachender
Ferkel.
Bei einer Überlandfahrt stieß ich auf der Höhe, mitten in der Pampa, auf ein großes UEG Schlachthaus, vor dem 5-6 Schlachttransporter parkten. Die kleinen Schlachthöfe befinden sich meist im Industriegebiet der Kleinstädte, direkt neben den Einkaufszentren. Auf ein Schlachthaus, das sich oberhalb der DM-Drogerie und schräg gegenüber eines großen E-Centers
befindet, wurde ich erst aufmerksam, als ich aus dem Auto stieg und eine Kuh muhen hörte. Als ich genauer hinsah, erkannte ich einen Transporter, aus dem das Muhen kam. Die leeren Transporter parken alle auf dem großen Kundenparkplatz. Während die Tiere also abgeschlachtet werden,
kaufen die Leute die Tierqualprodukte ein paar hundert Meter entfernt ein und essen Tierleichenteile im angrenzenden Bistro.
Das Schlachten läuft selbst hier im Hinterland auf Hochtouren.

Ein LICHT IM DUNKEL – engagierter Tierarzt sorgt für ‘Tierschutz’ im Schlachthaus Da meine Junghündin aus Rumänien monatelang ein Intensivpflegefall war und wir regelmäßig beim Tierarzt vorstellig waren, kam ich über die vegane Hundeernährung mit diesem ins Gespräch und es stellte sich heraus, dass unser Tierarzt Lebensmittelkontrollen in drei Schlachthäusern in Bayern durchführt. So erfuhr ich aus erster Hand einiges über die Situation in diesen Schlachthäusern und konnte Vieles erfragen, das ich wissen wollte.

Hier ein Resümée der Gespräche:

Der TA meinte, dass Tierschutz in den Schlachthäusern an erster Stelle steht und dass es vermehrt Kontrollen gibt. In den drei Schlachthäusern, die er überwacht, gab es am Anfang zwar keine Missstände, aber Vieles, das ihm nicht gefallen hat. Er betont immer wieder, dass man nur Veränderungen herbeiführen kann, wenn man mit den Menschen ins Gespräch tritt. So macht
er Fahrer und die Schlachthausmitarbeiter darauf aufmerksam, dass es sich bei den Tieren um Individuen handelt, mit denen man respektvoll und ruhig umzugehen hat – ohne Anwendung von Gewalt. Auch die Ministerin hat er unlängst daran erinnert, dass jedes Tier ein Lebewesen mit einem individuellen Charakter ist und man alles dafür tun muss, um die Schlachtmethoden für die Tiere zu verbessern.

Inzwischen führt er sogar SCHULUNGEN für die Schlachthausmitarbeiter durch. Ganz oben auf der Agenda steht die sichere Betäubung, damit das Tier nicht lebendig in die Schlachtung geht. Er erklärt den z.T. ausländischen Arbeitern, dass man den Bolzenschuss bei Kühen eben noch
einmal betätigen muss, wenn er beim ersten Mal nicht sitzt, weil das Tier den Kopf z.B. in letzter Sekunde nach oben gerissen hat.

Zudem wissen die Mitarbeiter, dass er sie jederzeit kündigen kann, denn er ist vom Ministerium eingesetzt und steht somit über dem Schlachthausbetreiber. Seitdem der TA ‘das Sagen’ hat, gibt es bei Kontrollen in den drei Schlachthäusern keinerlei
Verstöße mehr! Überhaupt werden die Kontrollen immer strenger und es werden immer mehr Schlachthäuser geschlossen, bei denen es zu Tierquälereien kommt.

• In Bayern gibt es ab dem 01.01.2018 eine SONDERKOMMISSION bestehend aus 120 Mitgliedern (darunter u.a. Tierärzte und Ethnologen), die im Schlachthaus ausschließlich kontrollieren, dass die Tiere vorschriftsmäßig betäubt in die Schlachtung gehen (dies zeige, dass es hierfür Bedarf gibt)

• In Frankreich sind bereits alle Schlachthäuser mit Videokameras ausgestattet. Die Aufzeichnungen kann jeder Bürger via Internet einsehen bzw. können die Schlachtungen
live verfolgen. Belgien will mit diesem Verfahren nachziehen

In Deutschland wird es wohl keine Videokameras geben. Allerdings, so der TA, sollte man dahinkommen, dass eine Überwachung überhaupt nicht erst notwendig ist.

Meine Frage: Wie kommt es dazu, dass Tiere bei lebendigem Leib zerstückelt werden? Ist es wirklich an der Tagesordnung? (vgl. PETA-Text „Ist Fleisch Mord“?)

Die Antwort des Experten:

– Bei Schweinen dürfen zwischen der Betäubung durch Elektrozange und dem Aderlass nur 20 Sekunden liegen. Die Zeit wird von ihm oder bei Kontrollen durch Behörden sogar mit
der Stoppuhr kontrolliert. Man spricht hier von Betäubungseffektivität, die gewährleistet sein muss.

– Seltener gibt es in Bayern Schlachthäuser, in denen Schweine in Boxen mit bis zu vier Tieren in die Tiefe gefahren und dann mit Stickstoff betäubt werden (der TA ist kein Befürworter dieser Methode). Wenn die Tiere hochkommen, muss die Betäubung auf jeden Fall überprüft werden.

– Eine Kuh muss nach der Betäubung durch Bolzenschuss und dem Aderlass 3 Minuten (!) ausbluten (insgesamt 20 Liter Blut von insgesamt 50-60Liter Blut verlieren)!! Erst danach dürfen weitere „Aktionen“ erfolgen. Wenn diese drei Minuten nicht eingehalten werden, geht das Tier lebend in die Schlachtung!

In den von ihm überwachten Schlachthäusern hängt an der Wand eine Uhr, die nach dem Aderlass betätigt wird, damit die drei Minuten eingehalten werden. Solange hat der jeweilige
Mitarbeiter zu warten.

Abschließende Bemerkung:

Der Tierarzt meinte, dass ihn die Eindrücke im Schlachthaus zu anfangs „wochenlang…, monatelang verfolgt“ haben – die Tiere kommen als Lebewesen an und werden dann zum Lebensmittel verarbeitet… „Es sind nicht nur die Bilder. Es sind die Bilder kombiniert mit dem Geruch!“
Nach drei Monaten überlegte er sich, seine Stelle aufzugeben. Aber dann fragte er sich: „Wie wird dein Nachfolger den Job machen?“ So entschied er sich – für die Tiere – an seiner Stelle
festzuhalten, um Veränderungen zu bewirken.

Der TA hat die Auffassung, dass JEDER, der Fleisch isst, ins Schlachthaus gehen muss, um zu sehen, wie die Tiere dort angekommen und wie sie verarbeitet werden.

Für manche Tiere sei das Schlachthaus eine Erlösung, wenn sie ankommen und vor Schmerzen schreien. Dann sagt er: „Jetzt hast du es gleich geschafft.“
Allerdings betont der TA, dass es nichts Hundertprozentiges gibt, wo Menschen und Tiere aufeinander treffen, da es sich nun eben einmal nicht um Maschinen handelt.
Demnach wird es also nie eine 100%-ig sichere Schlachtung geben.

22.10.2017 Ina

Teile diese Beitrag!

Leave A Reply

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.